Liegt die Zukunft des Films in der virtuellen Realität?
In der Welt der Videospiele und auch in anderen Branchen fern des Entertainments hat die virtuelle Realität (kurz: VR) bereits Einzug gehalten. Das Headset aufzusetzen und selbst zur Spielfigur zu werden, wird für Gamer heute immer alltäglicher, während VR-Brillen im Preis reduziert und damit für mehr Menschen zugänglich werden. Doch wie sieht es mit VR in der Filmindustrie aus? Wie ist der aktuelle Stand und könnte es VR in Zukunft auch in die Kinosäle schaffen?
Gaming in der dritten Dimension
Die meiste Aufmerksamkeit bekommt VR zweifelsohne in der Welt des Gamings. Videospiele verschiedenster Genres bedienen sich bereits der immersiven Technologie, um Gamer in die dritte Dimension einzuladen und selbst in die Schuhe der Spielfigur treten zu lassen. In Spielen wie The Elder Scrolls V: Skyrim VR können Spieler die extensive und scheinbar endlose Welt des Games in der virtuellen Realität erkunden, als wären sie selbst im Spiel. Der Einsatz von VR weitet sich zunehmend aus, so kann man inzwischen mit PokerStars VR an virtuellen Pokerspielen teilnehmen und die Live- und Online-Welt zuhause virtuell vermischen. Setzt man sich die HTC Vive oder Oculus Rift auf, wird ein Live-Poker-Erlebnis so nah wie möglich simuliert, sodass man sich so fühlt, als säße man tatsächlich mit den anderen Spielern am Tisch.
Viele Branchen nutzen VR
Nicht nur in der Spielewelt kommt VR heute zum Einsatz. Obwohl dies in den Medien weniger zum Vorschein kommt, wird die Technologie von VR auch in der Industrie an zahlreichen Stellen genutzt. Ein Beispiel ist die Medizin, wo Ärzte in der Ausbildung mithilfe von VR die Anatomie des menschlichen Körpers erlernen oder etwa chirurgische Eingriffe virtuell und lebensnah üben können. Auch die Deutsche Bahn nutzt VR, um neue Mitarbeiter auszubilden und virtuell Theorie und Praxis zu verknüpfen. In der Produktion hilft die Technologie etwa bei der Entwicklung eines Auto-Prototypen oder beim Architekten und Bau bei der Gestaltung eines Hauses. Sogar in der Therapie wird VR heute eingesetzt, um etwa Trauma und psychologische Probleme zu bekämpfen. Die Nutzung von VR beschränkt sich also längst nicht nur auf die Videospielbranche. Doch wie sieht es mit der Filmindustrie aus?
Der Stand von VR in der Filmindustrie
Während VR in der Welt der Videospiele langsam aber sicher durch sinkende Preise der VR-Headsets und steigende Verfügbarkeit und Auswahl immer massentauglicher wird, ist die Technologie in der Filmindustrie noch nicht richtig angekommen. In der Produktion zeichnen Filmemacher mittlerweile Filme in einer virtuellen Umgebung mit virtuellen Darstellern und Sets auf, wie bei DER KÖNIG DER LÖWEN oder auch den kommenden AVATAR-Produktionen. Die großen Filmfestivals haben auch eine Sektion mit VR, auf denen Reportagen oder Kurzfilme laufen, so auch bei der Berlinale. Einen Bären vergeben möchte man dafür aber auch unter der neuen Leitung nicht. Fans von VR und 360 Grad im Kino müssen auf Sondervorstellungen und Festivals ausweichen, beispielsweise auf das Internationale Kurzfilmfestival Interfilm in Berlin, die in einer Reihe die Highlights zeigen. Eine breite Auswahl an VR-Filmen mit Produktionen in Spielfilmlänge lassen bisher noch auf sich warten. Anders sieht es aus, wenn wir uns dem Fernsehen widmen. Der Fernsehsender ZDF beispielsweise nutzt die 360-Grad-Technologie, um Reportagen in VR noch erlebbarer zu machen. Auch der Streamingdienst Netflix hat bereits einen Fuß in die Welt von VR gesetzt und eine eigene App auf den Markt gebracht, die es Zuschauern ermöglicht, ihre Lieblingsserien mit einer VR-Brille anzusehen. Die Akzeptanz auf dem Gebiet des Fernsehens in VR ist heute noch gering. Der damit verbundene Aufwand und die benötigte Ausstattung sind zu hoch. Nur wenige sind dafür bereit, ihre gemütliche Couch gegen einen VR-geeigneten Raum oder wenigstens einen drehbaren Bürostuhl einzutauschen.
Was muss passieren, damit VR es ins Kino schafft?
Werfen wir einen Blick auf die große Leinwand. Ein Kinobesuch beispielsweise ist unter anderem wegen des sozialen Faktors etwas Besonderes. Sich im Publikum mit anderen Menschen und seinen Freunden einen Film anzusehen, macht mehr Freude, als dies allein zu tun. Mit einem VR-Headset taucht man jedoch gänzlich in eine andere, isolierte Welt, während die reale Umwelt, und damit der soziale Faktor, wegfallen. Damit es VR schaffen kann, ein Kino-ähnliches Erlebnis zu kreieren, muss es sozialer werden und andere Menschen in die persönliche Erfahrung miteinbeziehen. Etwas Derartiges wurde bereits 2018 auf dem Sundance Film Festival in USA mit echten Schauspielern und großen Installationen versucht umzusetzen. Hier ist es eher eine Mixed Reality-Erfahrung, in der unterschiedliche Ebenen zusammen als sensorisches und emotionales Erlebnis funktionieren.
Massentauglich sind solche Erlebnisse bisher jedoch nicht. Eine geringe Akzeptanz und hohe Berührungsängste mit VR auf Seiten des Publikums stehen dem Einzug von VR in die Kinosäle zusätzlich im Weg. Die Technologien müssen nicht nur massentauglicher und sozialer werden, sondern die Zuschauer müssen auch willig sein, sich das Headset aufzusetzen. Dazu braucht es eine logistische Lösung in den Kinos, die zusätzliche Technik fehlerfrei zu halten und zu warten. Dass dies grundsätzlich funktioniert, zeigen die Filmfestspiele als hervorragende Plattform zur Vorstellung von Innovationen an Filminteressierte. Doch die Menge an Menschen, die diese zu sehen zu bekommen, sind bisher in der VR-Nische noch zu gering.
VR steht auf dem Weg in die Kinosäle noch ein weiter Weg bevor. Filmemacher und Storyteller sind jedoch bereits jetzt auf und dran, sich die neue immersive Technologie bestmöglich zunutze zu machen, um ihre kreativen Ideen auf erlebbare Weise umzusetzen. Die Technik ist grundsätzlich da, vielleicht muss sich aber auch die Architektur der Kinos ändern. Um Erfolg zu haben, darf VR keine rein technische Attraktion sein, sondern ein eigenes neues Erlebnis, das nur mit VR als Medium möglich ist. Dies geht weit über das Ansehen eines Films hinaus, sodass VR-Erlebnisse vermutlich eher komplementär neben dem Kino entstehen werden, anstatt dieses zu ersetzen. Doch bis dahin muss noch viel passieren. Wir sind gespannt!
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