Wer hätte gedacht, dass ich das eines Tages schreiben werde?
Nachdem gestern anscheinend alle digitalen 20 Uhr-Vorstellungen von James Camerons „AVATAR- Aufbruch nach Pandora“ in Deutschland aufgrund des eingebauten Digital Rights Managements und fehlender Schlüssel ausgefallen sind, ist die Stimmung im digitalen Keller. Der Sicherheitsschlüssel ermöglicht eine Kontrolle im Abspiel von seiten des Verleihs, hier 20th Century Fox, denn es sind im KDM mögliche Aufführungszeiträume enthalten. Und Vorpremieren um 20 h waren wohl nicht im Fox-Headquarter eingeplant. Wie die Sicherheitstechnik gemäß DCI funktioniert, habe ich in diesem Artikel beschrieben. Wer hätte gedacht, dass 100 Kilobyte Datenmenge für die gesamten Prozess der Digitalisierung so einen Rückschlag bedeuten können? Da macht man monatelang Pressearbeit, und dann versaut eine kleine fehlende Datei tausenden Kinobesuchern den Abend- und einigen die Lust auf den Film gleich mit.
Ich möchte hier nochmal auf den Artikel von gestern Abend hinweisen, wo weiterhin Kommentare und Augenzeugenberichte hinterlassen werden. Beteiligt euch an der Diskussion!
Es ist ein kleiner Gau, nicht nur technisch, sondern kommunikativ. Denn nun wurde mit AVATAR eine Menge Personen erstmals ins digitale 3D-Kino gebracht. Und gerade in den Previews sitzen die Fanboys, oft Leute, die ihre Meinung auch hinterher über Blogs, Twitter, Facebook & Co kundtun. Für viele Meinungsmacher. Diesmal aber fatal in die andere Richtung. Und ich bin sehr gespannt, wie der Filmverleih und die Kinobetreiber das für die Kinobesucher lösen werden.
Es gibt einigen Grund mit dem neuen Kino unzufrieden zu sein, vieles davon habe ich schon selber erlebt. Ich möchte hier nicht über die Inhalte sprechen. Mit dem digitalen Kino werden auch herkömmliche Filme auf die Leinwand gebracht. Und über Jahrmarktskino in 3D möchte ich auch nicht reden. Es geht um das Erlebnis des digitalen 3D-Kinos im Kino an sich.
Das größte Ärgernis ist ein ausfallender Film. Mitten in der Vorstellung gibt der Projektor seinen Geist auf. Oder die Vorstellung beginnt aufgrund technischer Probleme erst gar nicht. Da sitzt man nun eingedeckt mit Popcorn und Getränken, und es gibt keinen Film, sondern nur hektische Filmvorführer, die dem Techniker hinterher telefonieren. Zwar bekommt man an der Kinokasse sein Eintrittsgeld zurück, Kosten für Speisen und Getränke, Tickets für den Nahverkehr, Kosten für das Parkhaus oder den Babysitter natürlich nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, in meiner Jugend jemals ohne Filmerlebnis wieder das Kino verlassen zu müssen. Und das Personal ist mit solchen Situationen überfordert, da wird nicht auf einen anderen Film verwiesen, den man sich gleich anstatt ansehen könnte oder freundlich mit dem Kunden über das Problem geredet. Ist ja auch sehr unangenehm, die Kunden sind verärgert, und es sind viele auf einmal. Darin haben die Servicekräfte weder Erfahrung noch Training. Sollten sie aber. Denn es geht um Kundenbindung für ein Produkt, dass ich an der nächsten Ecke bei der Konkurrenz in der gleichen Qualität bekomme.
Undurchsichtige Preisstrukturen: Kinogutscheine werden für 3D-Filme in den meisten Kinos nicht akzeptiert. Stattdessen bietet man Premium 3D-Gutscheine an, die natürlich teurer sind. Manchmal kann man sie wie im Cinemaxx verrechnen lassen, man bezahlt mit einem Kinogutschein und zahlt noch 5 € Aufpreis. Warum aber unterschiedliche Filme im gleichen Haus unterschiedliche Eintrittspreise haben, konnte mir der Mitarbeiter im Cinemaxx nicht erklären. Dass der Eintritt für „OBEN“ teurer ist als für „Ice Age 3“, aber genauso teuer wie „Final Destination 4“. Die Mutmaßung, dass es sich bei „Ice Age 3“ ja um einen Kinderfilm handele und bei „OBEN“ und FD4 um Filme für Erwachsene ist natürlich Mumpitz. Den Grund konnte mir aber auch der Teamleiter nicht sagen.
Und auch sonst wird viel vernebelt: das Cinemaxx wirbt mit 3D in 4K. Sie mögen zwar 4K-Projektoren besitzen, doch vermindern meines Wissens die dazugehörigen 3D-Polarisationsoptiken die Qualität auf 2K. Ein Mehrwert, der auf der Leinwand keiner mehr ist, aber doch im Preis zu Buche schlägt.
Aber es gibt ja auch den guten analogen 3D-Film von der Rolle: nachdem Technicolor mit seinem neuen alten System noch in den Rollout-Startlöchern steht, reden wir natürlich über IMAX 3D. Ich habe das Glück nur 10 Minuten von einer 588 qm IMAX 3D-Leinwand entfernt zu wohnen, dem Cinestar IMAX in Berlin. Mit fantastischen 25.000 Watt Sound. Und analoger Doppelprojektion (da lief gestern ihre Preview…). Doch was nützt es, wenn die Projektoren schlecht aufeinander eingestellt sind? Gerade in der letzten Woche habe ich dort erneut „Disneys Eine Weihnachtsgeschichte“ in S3D gesehen. Den gesamten Film über war der 3D-Effekt zerstört, da die beiden Linsen anscheinend nicht exakt aufeinander eingerichtet waren. Es kam die ganze Zeit zu einem versetzten unscharfem Rand und so zu Geisterbildern. Ich habe das freundlich in einer Mail an Cinestar angemerkt, bisher allerdings ohne Antwort. Ich hoffe, sie haben derzeit zu viel zu tun und nicht mangelndes Interesse an ihren Kunden.
Das Problem mit den 3D-Brillen: Hier wird sie gemietet, dort wird sie gekauft. Die Preise für eine RealD-Brille variieren zwischen 1 € und 3 €, je nachdem , wieviel der Kinobetreiber an Gebühren um den Filmverleih drumrum mogeln möchte. In manchen Kinos herrscht Brillenkaufzwang, da sie so empfindlich seien. Ja, ich ärgere mich über 3D-Brillen mit verbeulten und zerkratzten Gläsern. Was das nächste Kino nicht davon abhält, einfach alle 3D-Brillen aufeinander ohne Hülle in eine große Champagnerschale zu legen. Auch werden eigene mitgebrachte 3D-Brillen oft nicht akzeptiert, man möchte die Verkaufseinnahmen ja mitnehmen.
Die passiven „Einmal“-Brillen verursachen eine Menge Müll, der hoffentlich recycelt wird. Und die Mehrwegbrillen sind oft schlecht gereinigt, mit schmierigen Schlieren an den Rändern. Während des AVATAR-Days im August gingen im UCI die Brillen zwischen den zwei Vorführungen so in den Karton zurück, die wurden nicht gereinigt oder ausgetauscht.
Die XPand-Brillen sind oft ein Problem für Brillenträger, da sie sich nicht ohne weiteres über die normale Brille setzen lassen. Ich kenne Leute, die den ganzen Film über ihre Shutter-Brille mit der Hand vor die Augen halten mussten. Entspanntes Kino sieht anders aus. Mir persönlich ist die Glasgröße der XPand-Brillen übrigens zu klein, ich kann nicht immersiv abtauchen, wenn ich dauernd mit meinem Blick an den Brillenrand stoße.
Und was eine Kinokarte in 3D nun kostet, wird bei vielen Kinobetreiber oft erst in der Salamitaktik deutlich: Eintrittspreis + ggf. Überlängenzuschlag + 3D-Zuschlag + Kauf 3D-Brille + ggf. Reservierungs-Systemgebühr + ggf. Logenaufschlag. Nicht mitgerechnet Popcorn, Pepsi, Parkhaus.
In den ersten Monaten mit der neuen Technik gibt es Welpenschutz, man muss sich an alles erstmal gewöhnen. Doch mittlerweile sollten die Verleiher und Kinobetreiber verstanden haben, dass man bereit ist für ein gutes Produkt auch bereit ist einen deutlich höheren Preis zu bezahlen. Premiumkino für Premiumpreis. Aber für dieses Geld erwartet dann das Publikum nicht nur einen spannenden Film, sondern auch rundum eine einwandfreie Qualität. Und liebe Filmverleiher, Kinobetreiber und Filmvorführer, nehmt diese Erwartung ernst, denn das Blu-ray-Heimkino und Internetdownloads bleiben und steigen noch in ihren Anteilen. Das Kino ist mehr als nur ein Filmabspielraum, es ist der Ort für gemeinsame Erlebnisse. Sorgt dafür, dass es für alle Besucher ein positives Erlebnis wird.
Ihr habt gesehen, dass es eigentlich mehr eine Kritik an den Kinos und ihrer Politik als am Digitalen Kino selbst oder dem 3D-Kino ist. Wer sich damit nicht repräsentiert fühlt und die Nase vom 3D-Kino so richtig voll hat, kann sich mit dem Bastelbogen von F.A.T. Free Art and Technology seine eigene Brille mit dem Titel „Fuck 3D“ basteln. Ganz monoskopisch und garantiert 3D-frei! Einfach hier herunterladen.
Und, liebe Leute, Pandora wartet auf euch. Nur weil der Start der Discovery mal verschoben wird, fällt doch die Marsexkursion nicht aus… 😉