Seit letzten Donnerstag könnt ihr das erfolgreiche CGI-Abenteuer „ICH – Einfach unverbesserlich“ in den Kino sehen. Natürlich kommen die Superschurken hochtechnisiert in bestem stereoskopischen 3D zu uns. DigitaleLeinwand.de interviewte den Hip-Hop-, Reggae-, Soul- und Funk-Musiker Jan Delay, der als stylischer Superschurke Vector den größten Gaunercoup der Menschheit landen will. In diesem Teil des Interviews sprach ich mit Jan Delay über seine Rolle als Superschurke und Synchronsprecher, über Moral, böse Banker und StreetCredibility. Nicht verpassen: morgen gibt es Teil 2 des Interviews, in dem Jan Delay uns seine 3D-Erfahrungen beichtet und über anstehende Musikprojekte Solo, mit den Beginnern und La Boum spricht. Stay tuned!
Jan Delay spricht Vector
DigitaleLeinwand.de: Jan, was war als Kind Dein Lieblingstrickfilm? Wer war Dein Superheld?
Jan Delay: Das Ding ist: als ich klein war, da gab es meistens nur die diese Walt Disney-Dinger und die fand ich eigentlich immer alle eher doof. Ich fand das immer so als Kind wie wenn Erwachsene mit Kindern „gutschigutschi“ geredet haben, als wenn sie bescheuert wären. Das war so runtergestutzt auf eine blöde brave Welt, wo niemand ausfällig wird das fand ich doof.
Waren die Zeichentrickfilme früher eher was für kleine Mädchen?
Nee, das sind eher Dorf-Filme, Das erste mal, dass mich wirklich Zeichentrick gekriegt hat, waren die Simpsons. Da fing das an, was heute Animationsfilme auch sind, das man auch mal ausfällig wird, dass es auch mal guten Humor gibt mit Reibung und Widersprüchen und vielleicht einem kleinen Skandälchen. In dem Moment macht das erst Sinn, etwas Illegales zu machen, was es noch nicht gab, man hat alle Freiheiten der Welt. Und vorher mit der bösen Hexe und dem kleinen Bambi und bla, das ist ja alles nur ein verändertes Märchen. Heute ist alles eher umgedreht, das ist viel mehr mein Ding oder auch als Kind wäre es so gewesen. Natürlich habe ich damals schon auf Serien geflasht, auf Captain Future, das war für mich das Oberding. Oder Senior Rossi, Aber auch Senior Rossi hat eben genau auch das transportiert, was irgendwelche blöden Walt Disney Popcorn-Filme nicht transportiert haben.
Hattest Du als Kind einen Lieblings-Comic?
Ich hab alle Comics gelesen, ich könnte gar nicht sagen, welches mein Lieblingscomic war, ich glaub Spirou und Fantasio, aber ich fand alle Comics geil.
Wenn das Angebot für einen Disney-Film gekommen wäre, hättest Du das abgelehnt?
Ja so einen blöden braven Scheiß, nee! Der ganze Film ist irgendwie gut für einen Familienfilm, da auch Ideale, die eben zum Teil auch meine sind, transportiert werden, das finde ich sehr gut. Das wusste ich zum Zeitpunkt meiner Zusage noch gar nicht. Da gibt es eine Internetseite mit Sicherheitscodes, da gehst du rauf und siehst so ein paar Character und siehst zwei kurze Schnipsel aus dem Film. Da kann man sich ja noch nichts draus erschließen, aber Du findest erstmal den Character erstmal grundsympathisch auch ohne zu wissen, was der eigentlich genau macht und wofür er steht. Und dann sagst Du zu. Als ich dann, bevor wir richtig gearbeitet haben, das erste Mal den Film auf Englisch sah, damit ich weiß, wie das große Ganze ist, da habe ich es dann gesehen.
Die Familienfilme hatten damals alle eine Moral. Heute erzählen sie ebenfalls eine Moral, aber mittlerweile haben wir es umgedreht- jetzt haben wir Oldschool-Superschurken, die in unserer Gesellschaft die Guten sind, weil sie den hochtechnisierten jungen Schurkenschnöseln im stylischen Trainingsanzug unterliegen- ist das die Moral von heute?
Nö, die Moral von heute, die auch in diesem Film transportiert wird und auch eine gute Moral ist, finde ich, dass der einzig wirklich böse der Bankchef ist. Und das finde ich halt cool. Das ist halt nicht mehr die Schwiegermutter oder der böse König, das ist halt die reale Welt. Die Kinder werden schon mehr auf die reale Welt vorbereitet, und dabei nicht überfordert. Man kann das auch als 5- oder 6jähriger sehen und Vergleiche zur Sparkasse um die Ecke schließen.
Der Chef der Bad Bank
Hat Dich das an der Rolle gereizt?
Nee, zu dem Moment wo Du sagt ich probier‘s mal, komm mal vorbei, da hast Du noch nichts vom Film gesehen. Da werden selbst irgendwelche zwei Minuten lange Schnipsel heutzutage in irgendwelchen Stahltresoren angeliefert und Du musst noch fünfmal unterschreiben, das ist so eine krasse Security.
Als Musiker, der mit Sprache umgeht und sehr viel Wert auf den Text legt: wie schwer ist es, die relativ exakten Vorgaben beim Job des Synchronsprechers einzuhalten?
Das ist super! Das ist überhaupt nicht schwierig, man genießt es eher. Du musst Dir selber keinen Kopf machen, diese ganze Kreativität fällt ja weg. Ich geh da hin wie ein Handwerker in die Fabrik geht: Hallo da bin ich, hier, das ist dein Job. Du musst das und das sagen und so und so. Dann ist noch jemand da, der Dir sagt, wenn was nicht gut war, mach es nochmal, und du macht das einfach alles. Irgendwann sind die zufrieden und sagen: Danke, sie können nach Hause gehen und du gehst nach Hause. Es ist schön im Studio zu sein und einfach mal zu tun, was andere sagen und es nicht zu beurteilen. Sonst ist das immer ein Krampf: Du kommst ins Studio, hast da irgendwas im Kopf, willst das das so aus den Boxen kommt, und arbeitest solange daran, bis das aus dem Kopf und das aus den Boxen das gleich ist. Das kann ein halbes Jahr dauern, das kann einen nerven und fertig machen. Aber im Fall des Synchronsprechers gibt es das nicht und das ist super. Für den Kopf ist das eher eine Kur.
Oliver Rohrbeck (Gru) und Jan Delay (Vector)bei den Synchronarbeiten
Bist Du ein Perfektionist?
Ja, wenn es um meine Sachen geht, die ich in meinem Kopf habe, bin ich Perfektionist. Und dann kann ich mir auch selber im Weg stehen und dann kann es auch echt nerven. Sowas kann eben bei so einem Job überhaupt nicht auftreten, man hat viel zu wenig Ahnung um reflektieren zu können, ob das jetzt perfekt war oder nicht. Man macht das zum ersten oder zweiten Mal. Man ist auch befreit von jeglichen Sachen, weil man sonst immer über die Musik-Materie nachdenkt. Mein weiß, was man tut, man weiß, was es für Möglichkeiten gibt, alles das macht einen noch wahnsinniger. Hier geht man einfach hin und weiß gar nichts und macht einfach und jemand sagt: ja, war gut oder war schlecht.
Ist das Der Grund, warum Du Deine Rolle als Synchronsprecher angenommen hast?
Die Anfrage für die Rolle des Vector kam innerhalb des Wirbelsturms der letzten Platte. Und hätte jemand gefragt, ob ich da nicht einen Featuresong machen möchte und ein Video- das hätte mir einfach keinen Spaß gemacht. Weil ich genau weiß, wie das abläuft: man muss wieder eine neue Strophe schreiben und so. Bei diesem Projekt wusste ich: Ich geh einfach irgendwo hin und mach was Neues, was ich noch nicht gemacht hab und kann da komplett den Kopf ausschalten. Und das ist dann auf jeden Fall ein Argument, dass man in so einer stressigen Zeit sagt: Okay, dann nehm ich mal vier Tage frei. Das macht dann wirklich Spaß und ist cool, sonst mach ich dafür auch keinen Urlaub von meiner Musik.
Du kennst ja das Geschäft, Image ist alles: Du transportierst natürlich ein Image.
Ich glaube ich bin genau da wo ich bin, weil ich darauf einen Scheiß gebe. Weil ich natürlich darauf achte, dass ich mit Leuten verkehre die ich mag und dass ich Sachen mache, die mir Spaß bringen. Aufgrund dessen, dass ich das schon so lange mach und jedes kleine Treppchen selber genommen habe und alles mir selber beigebracht hab und immer selber entschieden habe, was ich cool finde und was nicht, hat halt auch jeder irgendwann verstanden, was das ist und deshalb mach ich auch das, woran ich Spaß hab. Und ich glaube, letztlich haben sie danach gesucht. Ich glaube auch, dass auch meine Stimme ein bisschen weit vorne ist.
Hattest Du eigentlich Schwierigkeiten mit Deiner Stimme, zum Beispiel in der Schule?
Nee eigentlich nicht, der einzigem der mich damit aufgezogen hat, war mein Vater, aber das war völlig okay. Aber ansonsten gar nicht.
Konntest Du Dich immer gut durchsetzen?
Aufgrund meiner Stimme, also meiner Klappe, die hab ich immer schon für alles benutzt. Deshalb war es mir dann egal, welcher Klang da raus kam, mir ging es um die Wortwahl, und um das was ich gesagt hab.
Schurke Vector (Jan Dealy) in seinem stylischen Luftfahrzeug
Wenn Du ein Supergauner wärst: was würdest Du stehlen?
Alle Atomkraftwerke auf dieser Welt und die Schrumpfstrahl-Pistole, mit der man sie klein machen kann! Schrumpfen und dann auf den Mars schießen! Und alle Weltreligionen, weil ich glaube, dass das meiste Unheil, das wir haben, egal ob es so konzipiert war oder es so kam, immer irgendeine der Weltreligionen ist. Den Buddhismus würde ich wohl am Leben lassen, alle anderen würde ich klauen.
Du experimentierst gerne- welches der Technikgadgets aus dem Film hättest Du gerne?
Diese Kleinmach-Pistole ist extrem vorteilhaft. Sachen, die einem nicht passen verkleinert man und kann sich ihnen entledigen. Oder auch Sachen, die man transportieren will. So ein Materializer wäre super. Das fand ich auch im letzten Tim und Struppi Band, wie hieß der, irgendwas Blabla Insel- da hatten sie diese Maschine mit der Du Sachen klein und groß machen konntest. Schließlich ist sie kaputt gegangen und zum Schluss alles explodiert. So was mich immer schon fasziniert.
Wenn man Musikerkollegen nach dem liebsten Kollegen fragt, fällt oft Dein Name, Du bist der Liebe und Nette. Vector als Schurke ist nun aber genau das Gegenteil?
Aber ich glaub jeder mag ihn. Mir kann keiner erzählen, dass er keine Sympathien für Vector hat. Er ist doch der liebenswerte Bösewicht. Also ich finde den natürlich nicht sympathischer im Sinne von „ich würde gerne mit ihm abhängen“, aber man guckt ihm gerne zu bei dem was er macht zu. Und ich höre gerne zu bei dem, was er erzählt. Und finde ihn einfach groß, weil er ist so ein kleiner wahnsinniger Typ ist, der ohne Kompromisse das durchzieht, was in seinem Kopf ist. Ob das nun seine Klamotten sind, ob das sein geiles Haus ist, ob das seine Erfindungen sind, ob das die Art und Weise ist, wie er mit den Leuten umgeht- er macht sein Ding. Und das finde ich einfach groß. Und die Art und Weise wie er es macht, macht ihn sympathisch.
Vom politisch engagierten Musikkünstler zu Vector dem stylischen Super-Schurken-Schnösel, dessen Vater der böse Bankchef ist- wo bleibt denn da die StreetCredibility?
Ich find StreetCrediblity schwul (lacht). In dem Moment, wo man sich über solche Sachen Gedanken macht, hat man schon verloren. Oder in dem Moment, wo man darüber redet. Jemand der darüber redet, dass er Cre-di-bil-ity hat, hat keine mehr, weil er darüber redet. Das ist genau wie ein Genie, das würde nie behaupten, dass es eines ist. Diese ganze Ego-Charity wie PETA oder so, ich krieg ne Krise, wenn ich sowas seh! Das ist das uncredibilste, was es überhaupt gibt auf dieser Welt. Leute die sich inszenieren und nach vorne tragen: „Ich tue was Gutes“.
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Mehr von Jan Delay gibt es morgen im zweiten Teil des Interviews! Zum Beispiel beichtet er seine 3D-Erfahrungen und spricht über anstehende Musikprojekte Solo, mit den Beginnern und La Boum. Stay tuned!
Das Interview führte Gerold Marks.
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