Breaking Bad- ein Lehrstück über journalistische Freiheit und illegale Raubkopien
Ja, wir sind süchtig. Nach Chrystal Meth. Oder besser gesagt nach der Fernsehserie um den Drogenkoch Walter White in der U.S.-Fernsehserie Breaking Bad. Zum Serienfinale scheinen alle Hüllen zu fallen, da man auf den Stoff legal noch ein paar Tage warten müsste, besorgt sich der Abhängige ihn sich eben illegal. Ist ja so einfach an jeder Straßenecke zu haben. Neu ist in meiner Wahrnehmung allerdings die Offenheit, mit der man auch in Fachkreisen zu erkennen gibt, dass man seine Filme und Serien illegal konsumiert.
In der Nacht auf Montag lief in den USA die letzte Folge der finalen Staffel der zum Kult avancierten Serie Breaking Bad. Die mit dem Titel „Felina“ versehene Episode, die alles auflöst. Wie geht der krebskranke ehemalige Chemielehrer Walter White mit der Bedrohung seiner Familie durch das Gangstergeschmeiß um? Welchen Ausweg gibt es für ihn? Oder analytischer: wie werden alle noch losen Stränge der Erzählung in ein sinnvolles und würdiges Staffelende überführt?
Heute, am 1. Oktober 2013 läuft die finale Episode von Breaking Bad als Erstausstrahlung im deutschen Fernsehen auf dem Action & Entertainment Sender AXN um 21 Uhr im Programm, doch sind Internet und sogar Print bereits voll von Rezensionen der letzten Episode. Wer AXN nicht empfängt, kann alternativ auf Video on Demand bei iTunes zurückgreifen, ab Mittwoch Abend auf Watchever, am Donnerstag auf Maxdome, die allesamt mit den aktuellen Folgen nachlegen.
Kavaliersdelikt Raubkopie?
Es erstaunt mich, wie unverhohlen man bereits am Montag auf deutschen Film- und Serienportalen, Blogs, Podcasts und Foren ausführliche Besprechungen abliefert. Aber auch große Tageszeitungen wie die Süddeutsche oder die FAZ veröffentlichen heute im Print ihre Besprechungen und Kritiken. Dabei verraten Süddeutsche und FAZ das Ende der Serie ganz direkt, die FAZ sogar mit einem eindeutigen Bildmotiv. Was bei den Fans natürlich grundsätzlich für Unmut sorgt. Dass große Portale wie SpiegelOnline in Filmkritiken wesentliche Punkte bereits vor Filmstart in der Filmkritik veröffentlichen – man erinnere sich an das Preisgeben der Identität von Khan als Bösewicht in Star Trek Into Darkness- scheint sich leider zu etablieren. Wer am schnellsten vögelt veröffentlicht, bekommt die Aufmerksamkeit- in dem Fall die begehrte Ware der Online-Klicks. ( Update: die Süddeutsche hat Online einen einführenden Spoiler-Hinweis zu ihrem Artikel ergänzt. )
Ich glaube ja gerne an das Gute: bei deutschen Filmen wie dem RTL-Desaster(-Film) „Helden“ und dem wöchentlichen Tatort ist es gang und gebe, dass man den Redaktionen vorab mit einem Screener beliefert, damit Kritiken im Vorfeld veröffentlicht werden können. Meines Wissens war dies bei Breaking Bad nicht der Fall, eine Antwort auf eine entsprechende Anfrage steht noch aus. Jetzt ließe sich argumentieren, dass sich alle berichtenden Redakteure in den USA befinden und von dort ihre Artikel verfasst und gesendet hätten.
Die Süddeutsche ist an dieser Stelle zumindest argumentativ raus aus der illegalen Debatte, da sich nach eigenen Angaben der freie Korrespondent Jürgen Schmieder in Los Angeles befindet. Auch Nina Rehfeld, die für die FAZ veröffentlichte, ist nach eigenen Angaben auf ihrer (nicht aktualisierten) Webseite in den USA ansässig. Alles andere hätte auch ein gewisses Geschmäckle ergeben- immerhin agierte die FAZ zusammen mit der Axel Springer AG als Vorreiterin des umstrittenen Leistungsschutzrechtes. Jetzt ist der Vergleich von Textanrissen mit illegalen Downloads oder Streams schwierig, doch hinterlässt beides Flecken auf der Weißen Weste.
Doch ist die U.S.-Ortansässigkeit sicher nicht in allen Fällen die sinnhafteste Erklärung, wie man an den heißen Stoff kommt. Und der Stoff ist heiß: Heise Online schrieb heute über die Rekordzahlen der finalen Breaking Bad-Folge, sowohl im US-Fernsehen wie als illegale Raubkopie, die nach Angaben von Torrentfreak bei mehr als 500.000 Nutzern in den ersten 12 Stunden lagen, die sich „Felina“ per Bittorrent heruntergeladen haben. Wie die Berichterstattung zeigt, scheinen sich auch etablierte deutsche Medienjournalisten wenig um die Diskussion um illegale Raubkopien zu scheren, wenn man doch damit einen hervorragenden Quotenbringer erzielen kann.
Filmkritiker im Dark Net
Ein Einzelfall im Breaking Bad-Rausch? Vielleicht. Wie steht es sonst mit illegalen Downloads oder Streams im deutschen Filmjournalismus? Das weiter vorherrschende System Onlinemedien erst zur letzten Sichtung kurz vor Filmstart und eben in ausgewählten Städten einzuladen, scheint manchen Publikationen keine andere Wahl zu lassen. Wer am PV-Termin verhindert ist, kann nicht drüber berichten. Wer in einer Stadt ohne Pressevorführungstermine lebt, muss Zeit und Kosten für eine Anreise selbst schultern. Man geht zwar mit der Zeit auch mit der Technik und bietet Online-Screener an, doch dies zum einen beschränkt, zum anderen begegnen Verleiher Onlinemedien hier mit einer gewissen Skepsis (zum anderen geschieht die Rezeption natürlich nicht in einer Kino-Qualität in Auflösung und angemessener Kinoatmosphäre). Noch schwieriger wird es bei den Festivals: Kann es sich ein Redakteur die Reise zum Festival leisten, und doch leben gerade die Independent-Filme von der Berichterstattung durch die Filmnerds und mitunter Nischenpublikationen. Natürlich bieten auch Festivals mittlerweile offizielle Screening-Zugänge an. Es soll aber auch eine dunkle Seite geben, ein Dark Net für Filme. Damit sind nicht die üblichen Tauschbörsen-Netzwerke und lästigen illegalen Streamingseiten wie Kinox gemeint, immer mal wieder rumort es in der Gerüchteküche, dass es ein besonderes Film-Netzwerk für Journalisten und Kritiker geben soll. Einen Einlass in das Dark Net erhält man nur auf Anfrage, und eben mit Bezug zu einem bereits etablierten Mitglied. Bei diesem Film- Dark Net geht es wohl weniger um den Ausstoß der Hollywood-Majors, sondern um die Bereiche Independent und Festivals. Angeblich werden dort Screener zugänglich gemacht, mitunter sollen sogar Regisseure und Produzenten dort ihre Filme selbst einspeisen, damit sie besprochen werden.
Heiligt hier der Zweck die Mittel? Würden kleine Independent-Filme im Rauschen der laufenden Filmveröffentlichungen untergehen, zumal die Großen einfach deutlich lauter auf der Werbetrommel rühren? Nicht das hier ein falsches Bild entsteht: ich spreche mich klar gegen Raubkopien aus. Filme werden fürs Kino gemacht, von mir aus die Serien fürs heimische Wohnzimmer. Doch wer konsumiert, sollte dafür auch seinen Beitrag zahlen.
Ich frage die Kollegen ganz offen: seht ihr euch durch den entstandenen Online-Druck im Nachteil in der Veröffentlichung? Ist die Beschaffung des Ausgangsmaterials für eine journalistische Berichterstattung zu billigen? Wie steht es bei wissenschaftlichen Arbeiten an den Unis, mit den schlecht ausgestatteten Mediatheken der meisten Uni-Bibliotheken wären filmanalytische Arbeiten oft nur erschwert durchzuführen? Wie könnte eine solche Praxis in eine Rechtssicherheit überführt werden? Oder empfindet ihr ein bisschen BAD sein als gar nicht der Rede wert und beinahe gesellschaftsfähig?
Wie gesagt, die finale Breaking Bad-Episode FELINA läuft heute am 1.10.2013 um 21 Uhr via Kabel, Satellit und IPTV auf AXN und ist ab morgen auf unterschiedlichen Video on Demand-Portalen legal verfügbar. Und ich bin noch richtig gespannt, wie es ausgeht. Yo, bitch!
Bilder © AXN/ 2011 Sony Pictures Television Inc. · Alle Rechte vorbehalten.
Kleine Ergänzung unter einem sehr interessanten Artikel: Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen, aber es ist durchaus möglich, hier in Deutschland an legale „Pressemuster“ für US-Serien zu kommen. Das funktioniert dann über Portale wie readytoair, das beispielsweise auch vom BR genutzt wird. An dem grundsätzlichen Problem der gegenwärtigen Fernsehkritik ändert das natürlich wenig.
Danke Jenny! Das Portal kannte ich in der tat noch nicht. Für die großen Sender und Publikationen funktioniert das sicher gut. Doch denke ich mal, dass viele der mittleren und kleinen Online-Seiten hierfür keine Akkreditierung erhalten.