Frech kommt weiter, dachte sich das Konsortium und nannte sich selbstbewusst akronymgleich wie das Herzstück des Digitalen Kinos: DCP Germany. Was im Kino „Digital Cinema Package“ (siehe auch das Glossar zum Digitalen Kino) bedeutet, meint hier „Digital Content Portal Germany „, eine GmbH, die sich als IT-Dienstleister der Kinobranche aufstellt. DCP-Germany übernimmt für Verleiher, Postproduktionsfirmen und Werbeverwaltungen die Distribution, Prüfung, Zuordnung und Auswertung digitaler Filminhalte sowie die Sammlung, Prüfung und Verteilung digitaler Schlüssel. Man holt sich Unterstützung: Die Validierung von Daten und Zertifikaten erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS.
Die DCP-Germany wurde im September 2009 in München gegründet, das Rechenzentrum befindet sich in Nürnberg. Gesellschafter sind derzeit mit 80% die FORUM FILM Mediengesellschaft mbH, eine 100%ige Tochter des HDF KINO e.V., und mit 20 % Richard Kummeth. Weitere Beteiligungen sind in Vorbereitung.
Auf der vom Gesellschafter FORUM FILM Mediengesellschaft ausgerichteten Kongress-Messe „Kino 2010“ (vom 20. bis 22. April 2010 in Baden-Baden) stellt die DCP-Germany ihr Konzept der IT-Dienstleistung erstmals dem Fachpublikum vor. In Workshops gibt DCP-Germany dabei auch praktische Einblicke in ihr System.
„Um das digitale Kino flächendeckend zum Erfolg zu führen, sollte man nicht weiterhin so verfahren, als hätte man es mit dem Verteilen von 35mm-Filmrollen zu tun“, sagt Richard Kummeth, Geschäftsführer von DCP-Germany. „Auf dem Kongress in Baden-Baden gewähren wir Einblicke in die laufende Entwicklung unserer Lösungen. Das System läuft bereits in verschiedenen Ausbaustufen in ausgewählten Kinos im Versuchsbetrieb. Derzeit werden noch die Benutzerschnittstellen fertiggestellt. Der operative Start ist am 1. Juli 2010. “
Durch den Einsatz des digitalen Kinos kommt es auch in der Projektion zu veränderten Deliveries und Arbeitsabläufen (siehe auch diesen Artikel). Damit Kino-Besucher in den Genuss digitaler 2D- und 3D-Filme kommen, ist ein Zusammenspiel verschiedener Komponenten nötig. Filme werden im genau definierten Format eines DCP (Digital Cinema Package) verteilt, dem digitalen Äquivalent einer Filmrolle. Zur Wahrung des Copyrights ist ein digitaler Schlüssel (KDM – Key Delivery Message) nötig, der wiederum an das Zertifikat eines einzigen Projektionssystems gebunden ist. Über das Rechenzentrum werden diese Schlüssel zentral verwaltet und an ihr jeweiliges Zielsystem geschickt. Gleichermaßen sammelt das Rechenzentrum bei DCP-Germany den Content für das Vorprogramm, also digitale Trailer- und Werbespot-DCPs, und verteilt sie an die zentralen Kino Server. Diese Server werden den Filmtheatern in diesem Modell kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie übernehmen die Aufgabe, anhand der Vorgaben der Content-Eigentümer, der technischen Gegebenheiten und des jeweiligen Spielplans, automatisch Playlists zu erstellen, die von den Projektionssystemen abgearbeitet werden.
„Eine effiziente Logistik für digitale Inhalte verringert den Aufwand für alle Beteiligen – also Postproduktion, Verleih, Werbeverwaltung und Kinobetreiber – und ermöglicht es, flexibler auf Zuschauer- und Marktentwicklungen einzugehen. Erstmals kann mit automatisierten Rückmeldungen genau dokumentiert werden wann und wo welche Filme, Trailer und Werbespots gelaufen sind“, erklärt Richard Kummeth.
Alle DCPs und KDMs, die das Rechenzentrum durchlaufen, werden validiert. Hierzu arbeitet DCP-Germany mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen zusammen, das selbst maßgeblich an Normierungs- und Standardisierungsprozessen rund um das D-Cinema beteiligt ist. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Vorstellungsbetrieb durch eine korrupte Datei oder einen abgelaufenen Schlüssel gestört wird. Auch die in der Trusted Device List hinterlegten Gerätezertifikate der zugelassenen Projektionssysteme werden von DCP-Germany überwacht und für die Erstellung von KDMs bereitgestellt.
Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, ein deutsches Kompetenzcenter für die Organisation und Distribution digitaler Inhalte aufzubauen. Doch ist die Aufgabe durchaus mit einigen Risiken behaftet, Vorpremierenbesucher von AVATAR erinnern sich vielleicht an die geplatzten Vorstellung aufgrund von fehlerhaft ausgelieferten KDMs. Die entsprechende Firma in London konnte nicht schnell genug die Vielzahl der fehlerhaften KDMs neu erstellen und korrigieren. Und Kino findet ja meist nach Büroschluss statt. So wird sich auch DCP-Germany wie jeder IT-Deinstleister an der Qualität und Schnelligkeit seiner Arbeit messen lassen müssen.
Ob es durch die Form von DCP-Germany, wie vom Verband Technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF) befürchtet, durch die Geschäftsform zu kartellrechtlichen Fragen und einer Behinderung durch modellimpliziten Konkurrenzausschluss kommt, sollte rechtzeitig geprüft werden. DCP-Germany ist noch die Antwort auf die Handhabung von Preisstrukturen und Einflussnahme auf Kostenverteilung und Programmgestaltung schuldig. Die Ziele von Interessenverbänden und die Absicht von Gewinnerzielung sollten nicht konträr zur grundsätzlichen Öffnung des Digitalen Kinos stehen.
Illustration und Logo: DCP-Germany