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Manchmal muss es eben professionell sein. Zwar besitzt heute über Digitalkameras und Smartphones jeder die Möglichkeit immer und überall Fotos zu schießen, doch ersetzt die handwerkliche Perfektion kein Instagram-Filter. Wenn es um wichtige Dinge im Leben geht- Bewerbungsbilder, bleibende Familienfotos oder auch einmalige Events wie Hochzeiten- sucht man gerne den Profi auf, der das Geschick und die entsprechende technische Ausrüstung mitbringt. Ich hatte neulich professionellen Bedarf für Business-Bilder und ein kompetentes Fotostudio aus Berlin war zum Glück schnell gefunden. Passte alles: gemütliche Örtlichkeit, professionelles Team, überzeugende Fotos.

Kamera 1

Zugegeben war ich ein bisschen neidisch auf die technische Ausstattung, und das betraf nicht nur den Megapixel-Boliden der Kamera. Das Studio war mit einem neutralen Studiohintergrund eingerichtet, der mit seiner Hohlkehle nahtlos von der Decke über den Boden führt. Gutes Licht war vorhanden, auf Stativen verstellbare Softboxen bot Tageslichtqualitäten eben dort, wo man es braucht. Was könnte man damit alles anstellen, wenn man solches Equipment auch zu Hause hätte? Da könnte man vielleicht doch ins Video-Geschäft jenseits des üblichen Bloggens einsteigen…

Lottotraum Blogger-Studio

Mit einem Freund diskutierte ich neulich, wie wir den dicken Lotto-Jackpot von 57 Mio. Euro im Gewinnfall verprassen würden. Weil wir beide so bescheidene Menschen sind, überboten wir uns natürlich in der Gemeinnützigkeit: ne Party und eine Weltreise muss schon drin sein, aber sonst galt es eher die Familie abzusichern, Freunden mal aus der Klemme zu helfen, sinnvolle Projekte vom Kinderhospiz bis zu Umweltorganisationen zu unterstützen. Da kann keiner was gegen sagen. Und dann kam ich mit meiner Idee des Bloggerstudios. Wie großartig wäre es, irgendwo in der Stadt ein kleines Büro für Blogger zur Verfügung zu stellen?

Fotostudio

Voll ausgestattet mit Rechner-Arbeitsplätzen, einem kleinen Tonstudio für Podcasts, mit verfügbarem Material von Audiorekorder bis Videokamera. Eine Greenscreen-Wand zum Auskeyen für Videos. Zeug das funktioniert und benutzbar ist. Ein kleines gemütliches Kino oder ein großes 3D-Heimkino sorgt für Abwechslung und Sichtungsmöglichkeiten. Und im besten Fall bietet das Studio noch eine angeschlossene Wohnung für den Besuch von Konferenzen, Filmpremieren und Junkets. Da könnten sich dann die befreundeten Blogger nach Bedarf einmieten, im Konferenzraum werden neue Ideen ausgeklügelt und Formate für die Blogosphäre diskutiert. Purer Idealismus, würde nur ausgenutzt, die Technik geklaut oder zerstört, die Minibar leer gesoffen – das waren die Gegenargumente meines Freundes. Mag sein. Aber geil wäre ein solches Blogger-Studio dennoch.

weltweite YouTube Spaces

Insofern staunte ich nicht schlecht, als ich gestern auf t3n den Artikel über den YouTube Space in Los Angeles las. Nur ein Stückchen von den großen Filmstudios von MGM, Universal und Paramount Pictures hat Google ein Studio in einem alten Flugzeughangar eingerichtet, dass von jedem YouTuber mit einer Reichweite von mindestens 10.000 Abonnenten genutzt werden kann- kostenfrei! Die mögliche Nutzungsdauer ist gestaffelt nach der Zahl der Abonnenten – für 10.000 Abonnenten gibt es einen Tag, ab 100.000 drei Tage und für Youtuber mit einer Million Follower stehen sechs Tage Aufenthalt im YouTube Space pro Monat zur Verfügung. YouTube hat verstanden, dass sie die Plattform sind und die geldbringenden Inhalte eben vom Publikum selbst produziert werden- Web 2.0 at its best.

Studios, Kameras (Spiegelreflex, REDs, GoPros) und Linsen, Scheinwerfer, Mikrofone, Anzüge für Motion Capturing- alles im Tech Cage vorhanden. Sogar Kostüme und Requisiten kann man sich aus einem Fundus ausleihen. Für die Nachbearbeitung stehen Schnittplätze und schalldichte Kabinen für Tonaufnahmen zur Verfügung. Das voll ausgestattete Kino mit 4K-Projektor und 7.1- Surroundsound gibt es auch. Nur für Katzencontent und abgedrehte Vlogger? Mitnichten, YouTube nutzt die Studios auch für eigene Livestream-Events wie hier mit One Direction:

Den YouTube Space gibt es mittlerweile nicht nur in Los Angeles, sondern auch in London, Tokyo und New York. Da möchte man doch fast betteln: bitte, bitte – was ist mit Berlin? Einen alten Hangar haben wir auf dem Flughafen Tempelhof auch, daran soll es nicht scheitern. Aber vermutlich hat Google nach der Verpixelungsorgie auf Streetview erstmal die Nase voll von Germany. Ich such mal meinen Lottoschein…

Bilder ©  Infomastern und TenSafeFrogs (CC BY 2.0)

Wie bereits vermeldet hat Blogger-Kollege Alexander Gajic auf seinem Blog Real Virtuality mit seinen Thesen zur Situation der deutschen Blogs im Bereich Film indirekt die Blogosphären-Woche ausgerufen. Die neun geführten Interviews wurden sukzessive veröffentlicht. Pünktlich zum Kinostart-Donnerstag war das Interview mit mir an der Reihe. Wer also wissen will, was ich über deutsche Leitmedien, die Vernetzung der Film Blogosphäre, Sponsored Posts und die Trennung von Mainstrem und Arthaus denke, kann es in voller Länge hier nachlesen. 

filmblogwordle

Ob die Thesen nun als Provokation für eine Veränderung des Ist-Zustandes reichen, bleibt abzuwarten. Derzeit wird untereinander und mit weiteren Bloggern und Lesern heiß diskutiert und Standpunkte ausgetauscht. Dabei ist man sich einig uneinig: eine Heterogenität der Blogs ist doch erwünscht, Leitmedien als prägende Meinungsmacher hingegen nicht. Wer seine Inhalte nicht anständig verbreiten kann, trägt selbst die Verantwortung und E und U ist alles eine Frage des Standpunktes. Soweit, so langweilig?!

Gerade nach dem Destillat der vier Thesen möchte ich eigentlich an mancher Stelle im Interview nochmal nachfeilen oder ergänzen:

  • These 1: Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre

Wie im Interview gesagt, existiert für mich eine. Zustimmend sind diese aber wie Kontinente verteilt. Manche Länder dort bereist man häufiger, mit anderen steht man im Austausch, von einigen hat man mal gehört, hier und da stehen welche auf der Reiseliste. Zum Globetrotten braucht an viel Zeit, so schön es auch ist. Sind letztlich dann schon Cluster, aber ich denke wir stehen alle unter dem gleichen Himmel, dass wir fürs Kino und den Film brennen. Aber vielleicht können wir, um mal im Bild zu bleiben, etwas mehr Mühe in die bilaterale Außenpolitik oder den Tourismus investieren.

  • These 2: Den deutschen Netzfilmschreibern fehlen die deutschsprachigen Leitmedien

In der tat sehe ich nicht DAS EINE deutschsprachige Leitmedium im Bereich Filmblogs. Aber ich denke nicht, dass mir eines fehlt, die Blogs mit Filmkritiken gibt es genau wie die PR-Durchreichen zuhauf. Beides zusammen findet sich in den großen Filmportalen zusammen. Die geographischen Grenzen sind für mich gefallen, wofür brauche ich ein einheimisches Leitmedium?  Man könnte sich daran abarbeiten, davon profitieren, vielleicht es sogar befüllen.

Wir brauchen also kein „Mehr“, sondern ein „Anders“. Vielleicht wäre ein Zusammenschluss zu einem Blogger-Vertical sinnvoll, um trotz der Diversität geschlossen aufzutreten? Der Vorteil wäre ein Gewicht gegenüber den Verleihern und PR-Agenturen, eine Anlaufstelle für Informationen, vielleicht würde es auch zu Zugang zu Akkreditierungen für Festivals und Kongresse erleichtern. Dabei verstehe ich das Leitmedium aber eher serviceorientiert, auf der einen Seite eine Aggregation der Inhalte, das Kuratieren der besonderen Beiträge und Themen und das Bereitstellen von (Meta-)Materialien, die allen (oder vielen) Blogs Arbeit abnähmen (anpassbare Startlisten und Übersichten, Infografiken, Votings, etc.). Doch dafür braucht es zum einen Energie, zum anderen die Bereitschaft vieler Blogger, Inhalte beizusteuern und einzubinden. Und möglicherweise scheitert am allgemein verbreiteten Kirchturm-Denken diese Idee. Was denkt ihr, wäre es einen Versuch wert?

  • These 3: Die guten Inhalte, die es gibt, werden nicht gefunden

Push oder Pull, starke Community oder optimiertes SEO. Es gibt viele Möglichkeiten seine Bekanntheit zu erhöhen und für Wachstum zu sorgen. Doch schreiben wir alle eigentlich lieber Inhalte, als dass wir auf Werbezug gehen, oder? Aber: wir brauchen alle eine bessere Unterstützung durch die Blog-Kollegen durch Querverweise. Vielleicht so wie Kollege Christian von DVDuell mit seinem Verlinkt:Film. Werde ich mir ein Beispiel dran nehmen.

 

  • These 4: Die nervige Trennung zwischen E- und U-Kultur lebt im Netz fort

Dazu habe ich mich im Interview deutlich geäußert. Den Streit erlebe ich jedes Jahr bei einer großen Preisverleihung, die ich betreue. Da schreien wiederholend die gleichen Kritiker nach gleichzeitig mehr Kunst und mehr Publikum. Filmbildung ist ein Muss, aber kann man das Publikum von 80% Hollywood umschalten? Und wozu eigentlich? Das klassisches Bonmot: das Publikum stimmt mit den Füßen ab. Das ist zwar manchmal frustrierend, sollte aber nicht zu elitären Debatten führen. Wir sind kein Filmland wie die USA, wo das Kino aufgrund des Mangels von bezahlbaren Theaterkarten o.ä. als Freizeitbeschäftigung Nummer 1 gilt. Vielleicht sind wir auch kein Filmliebhaber-Land wie Frankreich, wo Kino an sich ein Kulturgut mit hoher Wertschätzung ist. Aber wir gehören zu den wichtigsten Filmmärkten der Welt und können (zumindest in größeren Städten) auch eine stolze Filmvielfalt erleben. Von der Filmgeschichte über die Medienrezeption bis zur Technik, alles zusammen ist für mich Erlebnis Kino.

Film-Blogosphäre

Schön und wichtig, dass diese Diskussion geführt wird!

Auch dass Radio Fritz im Format Trackback sich dem Thema Filmblogs widmet, aber gleich beim Einstieg der Moderatorin möchte man schon wieder aufschreien: so hat er es doch weder geschrieben noch gesagt. Da haben wir wieder die leidliche Verknappung der Aussage.

Ein bisschen scheint es in der Blogosphäre wie beim Film an sich: anstatt dass man sich gemeinsam gegen die großen verbündet, beharkt man sich lieber untereinander. Oder? Alex hat den Anstoß gegeben es zu verbessern. Christian Hoja, der mit ChristiansFoyer selbst ein erfolgreiches deutsches Filmblog betreibt, hat in die Hände gespuckt und auf Facebook die Fanpage FilmBlogosphäre gegründet. Noch sucht man die gangbare Form, da sollte man sich einklinken und beim Aggregieren helfen.

Ich möchte ebenfalls meinen kleinen Beitrag leisten und überlasse DigitaleLeinwand wöchentlich einem Filmblogger-Kollegen als Plattform. Schreibt einen Gastbeitrag, stellt euer Blog und seine Themen vor, berichtet, was euch beim Film umtreibt. Dabei möchte ich erstmal keine Grenzen setzen außer der Netiquette.  Wer Interesse hat, schickt mir eine Mail an gerold@digitaleleinwand.de

Und das beste zum Schluss: Alex hat ein Filmblogger-Treffen organisiert. Es findet am 9.2. ab 18 Uhr in Berlin statt, da doch der eine oder andere aufgrund der Berlinale eben in der Stadt ist. Wer dabei sein möchte, meldet sich bitte hier an.

Ich bin gespannt auf die Entwicklung!

Bilder © Alex Gajic · Alle Rechte vorbehalten.

 

Der werte Kollege Alexander Gajic springt in seinem Blog Real Virtuality in einer Beitragsreihe auf die Metaebene zwischen Film- und Medienjournalismus. real virtualityBasierend auf  neun Interviews mit Bloggern spürte er der Blogkultur im Bereich Film nach und destillierte vier Thesen. Ich bin mitschuldig an diesen Thesen, denn auch DigitaleLeinwand gehörte neben PewPewPewRevolverNegativ und Sir Donnerbold zu den interviewten Blogs. Das Fazit in Kurzform der vier Thesen ist ernüchternd (die umfassenden Erläuterungen lassen sich natürlich im Artikel nachlesen):

  • These 1: Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre
  • These 2: Den deutschen Netzfilmschreibern fehlen die deutschsprachigen Leitmedien
  • These 3: Die guten Inhalte, die es gibt, werden nicht gefunden
  • These 4: Die nervige Trennung zwischen E- und U-Kultur lebt im Netz fort

Ob die Thesen nun als Provokation für eine Veränderung des Ist-Zustandes reichen, bleibt abzuwarten. Derzeit wird untereinander und mit weiteren Bloggern und Lesern heiß diskutiert und Standpunkte ausgetauscht. Dabei ist man sich einig uneinig: eine Heterogenität der Blogs ist doch erwünscht, Leitmedien als prägende Meinungsmacher hingegen nicht. Wer seine Inhalte nicht anständig verbreiten kann, trägt selbst die Verantwortung und E und U ist alles eine Frage des Standpunktes.

Bleibt also alles so wie immer?

Neben der angestoßenen Diskussion gibt es auch neue Seiten zu entdecken: Blogs, von denen ich vorher nichts wusste, da sie außerhalb meiner Wahrnehmung lagen. Die Vielfalt da draußen ist größer, als der eigene Tellerrand vermuten lässt. Die vollständigen Interviews mit allen neun Filmblogs könnt ihr in den nächsten Tagen lesen.

Bitte bringt euch in die Diskussion ein! Und, damit alle was davon haben, am besten direkt auf Real Virtuality.

Bild © Real Virtuality · Alle Rechte vorbehalten.