Die Shirley-Card oder warum der Farbfilm ein Rassist war. [WTF]

Auch das noch- der Farbfilm wurde für Menschen mit heller Haut entwickelt. Und Menschen mit dunkler Haut wurden benachteiligt, da die Beschichtung des Farbfilms die Tonwerte von dunklereren Hauttönen nicht adäquat abbilden konnte. Farbfilm für Weiße! 

Ab den 1940ern orienterten sich die  Fotolabore für Jahrzehnte bei den Farben der Bildentwicklung am Hautton der abgebildeten Personen. Und die Kalibrierung erfolgte an einer Vorlage einer Frau kaukasischer Ethnizität- der sogenannten „Shirley-Card“. Die weiße Frau galt als Maßstab für unsere Farben auf Fotografien und auch Farbfilmen, das Schönheitsideal ein heller Hauttyp. Das war der Standard für „normal“ oder „neutral“.
Professorin Lorna Roth untersuchte die Entwicklung von Hautfarben-Darstellungen. In ihrem wissenschaftlichen Paper von 2009 erklärte sie wie die ältere Technologie die Erscheinung von dunklen Bildinhalten veränderte. Die Gesichter dunkelhäutiger Menschen wirkten fahl und flach im Kontrast und den Details. Jean-Luc Godard lehnte es 1977 bei Dreharbeiten in Mozambique ab, mit Kodak zu filmen, bezeichnete das Filmmaterial als „rassistisch“- dunkelhäutige Menschen werden unterbelichtet, hellhäutige als überbelichtet wiedergegeben.

Shirley-Card

Die weiße Frau als Ideal: die Shirley-Card von Kodak war über Jahrzehnte der Maßstab für Fotoabzüge

Ein Umbruch erfolgte erst in den 1970ern, als die werbetreibende Industrie Schwierigkeiten hatte, die Unterschieden von dunklen Holzmöbeln oder Vollmilch- und Zartbitterschokolade auf Fotos darzustellen (da möchte man doch mal zwei WTF-Ausrufezeichen setzen!!). Menschen egal, aber hauptsache die Zartbitter-Tafel auf dem Walnußholz-Tisch sieht gut aus. Polaroid entwickelte eine Kamera mit Boost-Taste- die einen 42% helleren Blitz ermöglichte- so soll das von dunklen Oberflächern und Gesichtern zusätzlich absorvierte Licht ausgeglichen werden. Erst in den 1990ern entwickelte Philips ein Kamerasystem, das hellere und dunklere Hauttöne über zwei verschiedene Computerchips aufnahm und korrekter darstellte- gerade bei Fernsehnationen mit Moderatoren und Darstellern unterschiedlicher Hautfarben wie den USA ein echter Sprung in der Qualität. Kodak lieferte für die Fotokameras in den 90ern schließlich einen Farbfilm mit einem höheren Farbwert-Umfang für die Fotographie – Kodak Gold sollte jetzt auch ein „dunkles Pferd in der Dämmerung“ abbilden können. 1995 setzte man im asiatischen Markt auf eine asiatische Shirley und eigenem Farbstandard-Werten, Kodak veröffentliche eine multiethnische Shirely-Card mit drei Frau unterschiedlicher Hautfarben

Und heute? Die technische Entwicklung ist deutlich voran geschritten. Moderne Kameras arbeiten mit einem deutlich höheren Farbwert-Umfang. Auch im Kino werden wir in den nächsten Jahren einige Fortschritte durch High Dynamic Range-Projektionen (HDR) wie bei Dolby Vision oder bei anderen Laserprojektionen erleben können. Der chemische Film spielt nach der digitalen Revolution eine untergeordnete Rolle. Das „rassistische Problem“ der Bilderfassung ist aber auch in digitalen Zeiten nicht gelöst. Wie die Medien immer mal wieder berichten, stolpern auch moderne Systeme weiter über das Problem, wie die Gesichtserkennung von Microsoft X-Box 360-Zubehör „Kinect“ oder ein Foto-Match von dunkelhäutigen Menschen und Gorillas wie bei Flickr oder Google Photos belegen.
Wow, nachhaltiger Rassismus. Bitte umgehend abschaffen.

(via Vox)

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