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Ich törichter Narr. Ich hätte es wissen müssen. Die Zeichen haben es klar prognostiziert. Und doch glaubte ich, dass die Branchenveranstaltung begleitend zur größten Consumer-Elektronikmesse die innovativen Ideen einer digitalen Zukunft prognostiziert und debattiert. Doch am ersten Tag der medienwoche@IFA kommt mehr das Gefühl einer Vereinssitzung mit Schlagabtausch statt eines richtungsweisenden ThinkTanks auf.

Übrigens:Blogger gibt es hier offiziell nicht. Man euphemisiert sie zu Media-Journalisten, vermutlich damit sie nicht gleich gelyncht werden. Natürlich gibt es auf der Medienwoche auch keinen Medienausweis, sondern ausschließlich einen Presseausweis.

Die Eröffnungsdebatte der Medienwoche folgt der von der BBC angestoßenen Debatte um die Rolle des Senders und seine Inhalte. Die per Video zugeschaltete COO Caroline Thomson lieferte den kreativen Impuls mit sehr vielen richtigen Inhalten: „Less is more“. Der BBC muss nicht in allen Bereichen alle Formate von Information und Unterhaltung abdecken. Sondern es geht um die Qualität des Programms, das weltweit als Maßstab für einen Sender angesehen wird. Man will die Kosten eindämmen, und das gesparte Geld in die Qualität neuer Formate investieren. Dafür spart die BBC bei Spitzenmanagern, Gehälter und Bonuszahlungen werden über die nächsten Jahre eingefroren. Auch will man die Führungsstruktur der Sendeanstalt vereinfachen. Ein guter und richtiger Impuls auch für unsere Sendeanstalten, den es zu diskutieren galt.

Abweichend vom Motto „Less is More“ wurde bereits in Grußworten und Keynotes mehr „Alle gegen Jeden“ praktiziert: das Qualitätsfernsehen der Öffentlich-Rechtlichen gegen die hedonistischen „Seichtgebiete“ des Privatfernsehens. Die Rundfunkanstalten gemeinsam gegen die großen Printverlage. Alle gemeinsam gegen das Internet, denn da gibt es ja nur Bauchladenverkäufer, Informationskommunisten und peinliche Youtubevideo-Anbieter. Außer Apple, weil iPod, iPhone und iPad findet Springer schick und möchte die Dankgebete an Steve Jobs zur Bewahrung eines Internet-Bezahlmodells im Tag verankert wissen.

Wenn altehrwürdige Vertreterinnen von Gesetz und Aufsichtsrat die anwesenden Journalisten als tragende vierte Säule der Demokratie durch ihre Aufklärung hofieren, muss man sich natürlich abgrenzen. Fingerpointing: Blogs und Social Networks sind es nicht. So.

Jeder guckt noch mal schnell in sein Wes-Brot-ich-ess-dess-Lied-ich-sing-Briefing, lässt gekonnt zwei, drei aktuelle Buzzwords, Entschuldigung, unerlässliche Kern-Punkte der Diskussion fallen. Ich schreib es mal in Versalien, damit es nicht überlesen wird, inhaltlich wurde nichts neues beigetragen: DREISTUFENTEST. BEZAHLCONTENT. REGULIERUNG. INTERNET BÖSE. DIGITAL AUCH (außer iPad).

Wenn Skype-Videochats noch für große Begeisterung beim Moderator und dem Publikum sorgen, merkt man, dass die Kluft zwischen den Technikinnovationen in den Messehallen der IFA und der medienwoche im ICC doch größer ist, als erwartet. Und auch hier lässt man seinen Unmut am Medium Internet aus: klappt der Skype-Videochat nicht wie erwartet, ist das Internet schuld, das ist ja noch nicht so weit, und nicht der etwas hilflos auf den Menus des Programms rumklickende Eingabemensch.

Bleibt sich eine gepflegte Diskussionskultur und konkrete Stellungnahmen? Leider gefehlt. Im Ernst: wenn ein Online-Redakteur von Stern.de als Eingangsfrage an einen Autoren (der angibt, täglich 4 Stunden im Internet zu sein) formuliert, ob er denn überhaupt ARD und ZDF kenne, wäre die einzig richtige Reaktion aufzustehen und zu gehen. Das gilt sowohl für den Diskutanten wie das anwesende Publikum. Stattdessen muss man ein Podium ertragen, wo Vertreter des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien VPRT über die Wichtigkeit und ihre Liebe zur ARD säuseln, dass man das Gefühl bekommt, RTL versucht seit Jahren auch so ein schönes Programm wie die ARD zu produzieren, aber es gelingt einfach nicht.

Um wirkliche Inhalte geht es in der Diskusion less, more um die Verteilung alter Pfründe in der aktuellen Zeit. Und doch, man ist sich einig, man will in Zukunft weniger Inhalte anbieten, dafür aber mit höheren Kosten, oder aber neu zu etablierenden Bezahlmodellen. Das Ganze legitimiert sich durch eine Steigerung der Qualität, dem Zuckerbrot an die Konsumenten. Die Phantasie aller Beteiligten reicht leider nur für 2/3 der Thematik, man ist sich einig, dass man zukünftig weniger Inhalte für besseres Geld anbieten möchte. Nur bei der Rückfrage nach der gesteigerten Qualität weicht die Überzeugung einer Ratlosigkeit. Da müsse man dann erst entwickeln.

Fazit: Alles wie gehabt. Man redet nicht über Inhalte, sondern aus Standpunkten heraus. Die propagierten Leuchttürme des zukunftsweisenden Qualitätjournalismus werden sich zukünftig beweisen müssen, mir blieben sie auf der medienwoche bisher verborgen.

Ich hätte es wissen müssen. Wie wenig sich die medienwoche@IFA mit DIGITAL auskennt, stand doch schon auf meinem PRESSE-Ausweis. Digiale Leinwand.de. Tse, tse…