Edited Realism, dreidimensionale Bühnenbilder und Complexity Management – Interview mit Production-Designer Patrick Hanenberger von DreamWorks Animation über DIE HÜTER DES LICHTS
Unverkennbar: es weihnachtet sehr. Umso erstaunlicher, dass in der aktuellen Saison gerade nur ein Film mit dem Weihnachtsmann zu sehen ist, und zwar in DreamWorks‘ aktuellem CGI-Animationsfilm „Die Hüter des Lichts“. Und dieser Santa hat es in sich, ein tätowierter geläuterter Kosake, der mit seinen Wichteln und Yetis am Nordpol lebt und (nicht nur) für die Geschenke sorgt.
Er ist einer der Hüter des Lichts, den Figuren, denen in der Kindheit eine besondere Bedeutung zuteil wird. Und kommt nicht allen, sondern bringt den Osterhasen, die Zahnfee, den Sandmann und neu im Dreamteam Jack Frost mit.
Ich konnte mit dem Production Designer Patrick Hanenberger sprechen, der für DreamWorks Animation nicht nur die fantasievollen Welten von Die Hüter des Lichts entwarf, sondern auch an den Filmen „Over the Hedge“ (2006), „Bee Movie“ (2007) oder „Monsters vs. Aliens“ (2009) beteiligt war. Die Hüter des Lichts läuft deutschlandweit in den Kinos, in 2D, wie auch in 3D.
Vita Patrick Hanenberger: Der im australischen Melbourne geborene und in Wiesbaden aufgewachsene Hanenberger karikierte seine Lehrer und baute Autos und Landschaften für seine Actionfiguren. Nach einigen Praktika bei Werbeagenturen und Produktionsfirmen und einem Industriedesign-Studium an der University of Michigan entschied er sich, Entertainment Design am Art Center College of Design in Pasadena zu studieren. In dieser Zeit machte Hanenberger ein Praktikum bei Pixar Animation, arbeitete als Concept Artist für Kunden wie Rhythm and Hues, Lego Concept Lab und Hot Wheels und zeichnete Storyboards für zahlreiche Werbeprojekte. Seit dem ist er bei DreamWorks Animation tätig und neben als Dozent für Produktionsdesign tätig; neben seinem Lehrauftrag am Art Center gab er kürzlich einen Workshop an der Stockholmer Kunsthochschule Konstfack.
Wer sich intensiver mit Patricks Arbeit beschäftigen möchte, kann dies bei der Aufzeichnung einer 60minütigen Behind the Scenes- Keynote von der Motion 2012 und bei seinem Kolonie-Projekt und natürlich auf seiner persönlichen Webseite.
Patrick, Du bist bei Dreamworks als Produktionsdesigner tätig. Worin besteht Deine Aufgabe?
Als Production Designer bin ich für die gesamte Gestaltung des Films verantwortlich. Das beinhaltet das Gestalten von den Figuren, Kostümen, Hintergründen, Bühnenbildern, Effekten und Beleuchtung!
Ich arbeite mit vielen verschiedenen Teams, um meine Ideen dann ins Bild umzusetzen, am meisten jedoch mit dem “Art Department” in dem ich auch als Zeichner angefangen habe. Im Art Department werden die ganzen Entwürfe skizziert, bevor sie im Computer umgesetzt werden. Außerdem arbeite ich sehr eng mit dem Visual FX Supervisor zusammen, der mehr für die technischen Aspekte des Films verantwortlich ist. Zusammen lösen wir jedes visuell kreative oder technische Problem.
Was war die größte Herausforderung in Deiner Tätigkeit beim aktuellen Dreamworks-Animationsfilm Die Hüter des Lichts?
Das Schwierigste an dem Film waren zwei Dinge:
1. Kreativ – Welten zu entwerfen, von denen fast jeder auf der Welt eine gewisse Vorstellung hat. Die Mythen dieser Figuren gibt es auf der ganzen Welt in verschiedenen Formen und mit verschiedenen Namen. Etwas zu gestalten das universelles “Appeal” hat, war unheimlich schwierig, hat aber auch unheimlich Spaß gemacht.
2. Technisch – Unser Film ist der größte und komplexeste Film, den wir je bei Dreamworks gemacht haben. Die Figuren sind alle verschieden (Federn, Fell, Haut, Sand etc.) und die Welten unheimlich komplex. Ein großer Teil meiner Arbeit ist das “Complexity Management”, was bedeutet nur Dinge zu entwickeln, die auch umsetzbar sind.
Konntest Du bei den Entwürfen der Sets und Objekte auf die Buchvorlagen zurück greifen oder entspringt das alles der Fantasie und den thematischen Vorlagen? Wart ihr auf Recherchereise?
Die Bücher wurden zur gleichen Zeit mit dem Film entworfen. Die Idee für das Konzept hatte der Autor Bill Joyce schon vor 20 Jahren, aber die ersten Bücher wurden erst letztes Jahr fertig. Dadurch haben wir viel simultan “Hand in Hand” die Welten entworfen. Eine spezielle Recherche-Reise haben wir nicht gemacht, da es in unserem Film ja so viele verschiedene Welten gibt.
Meine größte Inspiration ist meine Kindheit und meine Reisen, die ich in meinem Leben gemacht habe: Beim Nordpol sieht man viele Inspirationen von einem Deutschen Weihnachtsmarkt mit den detaillierten Holzarbeiten und den warmen Lichtern überall. Der Palast der Zahnfee ist eine Mischung aus einem Thailand-Trip und den Hindu- Tempeln, die ich in Madurai, Indien besichtigte. Die Stadt der Menschen „Burgess ist stark an meine Unistadt Ann Arbor in Michigan, USA angelehnt, et cetera. So gibt es inspirationen fuer jeden Ort im Film.
Welche Fantasiewelt welches Hüters ist Dein persönlicher Favorit? Aufgrund Deines Geburtortes geht mein Tipp in Richtung Australien?
Richtig, meine Lieblingswelt ist das “Bunnywarren”, sowie der “Toothpalace”. Ich finde das Konzept den Osterhasen als Beschützer der Natur und des Lebens darzustellen, sehr interssant. Die visuelle Lösung war dafür recht simpel, nämlich das Ei als Motiv zu verwenden. Es ist das Symbol des Lebens und der Hoffnung.
Der “Toothpalace” war toll, da wir ein gigantisches Prinzessinnen-Schloss entwerfen konnten, dem ganzen aber auch etwas fantastisches à la „Herr der Ringe“ einbauen wollten. Ich wollte immer einen Palast entwerfen der “von Vögeln für Vögel” gebaut wurde. Deshalb gibt’s im Toothpalace keine Treppen oder Türen!
Verwendet Dreamworks Animation eine Art Bibliothek für Objekte, oder wird für jeden Film jeder Tisch, jedes Haus, jeder Baum neu designt und gebaut?
Ja und Nein. Jeder einzelne Bauteil aus älteren Filmen ist für uns verfügbar. Das heißt, wir können uns komplette Sets aus existierenden Objekten zusammen bauen. Zwei Dinge machen dabei oft den Prozess schwer. Erstens sind unsere Filme vom Design her ja alle sehr verschieden. Einen Baum aus „Madagascar“ kann man z.B. nur schwer neben einen Baum von “Drachenzähmen leicht gemacht” setzen. Außerdem erneuern wir konstant unsere Software und Tools, mit denen die Sets gebaut werden. Oft sind daher verschiedene Filme nicht miteinander kompatibel, da wir mittlerweile in einem neueren Format arbeiten.
Durchscheinende Haut, sich bewegendes Fell, exakte Flüssigkeitsbewegungen oder Partikel- technisch gesehen werden CGI-Animationsfilme immer perfekter. Was sind die Herausforderungen der Branche in den nächsten Jahren? Wann wird das Uncanny Valley durchschritten sein?
Wir könnten heute einen photorealistischen Film machen – kein Problem. Leider kommt man durch einen realistischeren Look immer mehr in das “Uncanny Valley” bei dem man nicht mehr weiß, was man da eigentlich sieht: Realität oder Trickfilm. Der Trick in meinen Augen bei CG-Filmen ist immer dem Publikum etwas zu zeigen, von dem es weiß, dass es nicht existiert. Beispielsweise die Navi bei „Avatar“ oder Gollum bei „Der Herr der Ringe“.
Für uns hieß das, die Figuren zu stylisieren und anatomisch sehr simpel zu machen. Unser Motto war: Anatomie wie ein Vinyl Toy, Rendering aber Hyperreal. Wir nannten den Look “Edited Realism”.
Wie hat sich das Produktionsdesign seit dem Einsatz von stereoskopischem 3D verändert? Ist alles detaillierter und aufwändiger geworden? Was wird durch das 3D-Format gewonnen?
Das 3D-Format schafft ein visuelles Erlebnis, bei dem der Zuschauer mehr ins Bild “eintauchen kann”. Deshalb müssen wir uns jetzt genauso mit den Details im Hintergrund wie auch im Vordergrund befassen. Wenn wir vorher das Design für eine zweidimensionale Fläche machten, ist es jetzt wie für ein dreidimensionales Bühnenbilder. Es ist jetzt viel wichtiger, dass das Design wirklich in einem räumlich korrekten Verhältnis existiert. Früher konnte man solche Dinge für die Leinwand “cheaten” (z.B. die Hobbits in „Herr der Ringe“) in dem man einen optische Illusion schuf. Durch Stereo 3D muss man jetzt wirklich die Dinge so zeigen, wie sie im Raum stehen.
Die Bilder werden zunehmend realistischer. Mit High Frame Rate von 48fps hält gerade ein Hyperrealismus Einzug ins Kino. Werden CGI-Animationsfilme zukünftig auch in High Frame Rate produziert? Und was würde sich im Produktionsprozess dann verändern?
Damit habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht genug befasst um mir eine Meinung zu machen. Sorry!
Auch deutsche Animatoren träumen vom Sprung zu DreamWorks Animation- hast Du einen Tipp, wie der Einstieg gelingt?
Viel arbeiten, nett sein und das machen was Du liebst!!! Für mich sind es die 3 wichtigsten Komponenten: Du musst hart arbeiten, etwas Talent haben und nett zu Deinen Mitmenschen sein. Niemand möchte mit einem Ekel zusammenarbeiten. Gutes Teamwork, Big Picture Leadership, Mentoring und gute Kommunikation sind genauso wichtig wie Talent!
Gibt es bereits ein neues Projekt, an dem Du arbeitest? Darfst Du schon einen Hinweis geben?
Ich arbeite im Moment an verschiedenen (noch) geheimen Projekten bei Dreamworks, die gerade in der Entwicklungsphase sind. Außerdem arbeite ich an einem persönlichen Projekt mit meinem Partner Christian Schellewald. Es ist ein veröffentlichtes Buch und heißt “Kolonie – The forgotten Empire”.
Patrick, herzlichen Dank für das Interview – und Frohe Weihnachten!
Kurzinhalt Die Hüter des Lichts: Sie sind die Helden unserer Kindheit: „Die Hüter des Lichts“! Allen voran der Weihnachtsmann, gefolgt vom Osterhasen, der Zahnfee und dem Sandmann, von denen jeder über einzigartige, unglaubliche Fähigkeiten verfügt. Und genau diese werden gebraucht, denn der düstere, bösartige Pitch verfolgt einen gefährlichen Plan. Pitch ist den meisten von uns bekannt als der Schwarze Mann, der sich im Dunkeln unter Betten versteckt und Angst und Schrecken verbreitet. Mit seiner Armee der Albträume droht er die Welt in ewige Dunkelheit zu hüllen. Doch das werden die fünf Helden nicht zulassen! Vereint als „Die Hüter des Lichts“, ziehen sie in den Kampf und versuchen mit einem abenteuerlichen Plan, die Menschheit vor den dunklen Machenschaften des Pitch zu retten. Als sich dann auch noch der junge, rebellische Jack Frost auf die Seite der Vier stellt, hat Pitch kaum mehr eine Chance. Denn wehe dem, der sich mit den Helden unserer Kindheit anlegt!
Bilder © Patrick Hanenberger (2), Dreamworks/Paramount (1, 3-6)· Alle Rechte vorbehalten.
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